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Verdrängung ist das Verbandszeug der Psyche

Ein Interview mit Ulrich Meuskens.

„Herr Meuskens, Ihre Praxis bietet systemische Beratung und Core-Energetik. Was bedeutet das eigentlich?“

Systemische Beratung und Core-Energetik ist eine Kombination therapeutischer Methoden. Ziel dieses ganzheitlichen Ansatzes ist, den Klienten bei ihren Problemen konstruktiv zu helfen und Hilfestellungen zur eigenständigen Gestaltung positiver Perspektiven im Leben zu geben. Das Zusammenspiel von Körper, Geist und Seele ist da ganz wesentlich.

„Man sagt ja, in einem gesunden Körper stecke auch immer ein gesunder Geist.“

„Na ja, ganz so einfach ist es leider nicht. Man könnte da ja schnell auf die Idee kommen: Wenn ich tüchtig Sport mache und mich dazu sogar noch ordentlich ernähre, sorge ich für einen gesunden Körper. Geist und Seele ziehen dann schon irgendwann mit. Ersteres ist sicherlich aus gesundheitlicher Sicht sehr lobenswert. Aber die Schlussfolgerung funktioniert leider nicht: Zum Beispiel können Sie während des Laufens zwar eine gewisse Distanz zu Ihren Problemen gewinnen, aber aus Ihrem Leben herauslaufen lässt sich ein wirkliches Problem selbst nach dem zehnten Marathon nicht. Es holt Sie – ähnlich wie bei der Geschichte vom Hasen und Igel – letztlich immer wieder ein. Obwohl oder gerade weil es sich nicht einmal bewegt hat. Vor nicht allzu langer Zeit war es übrigens noch undenkbar, über Depressionen bei Leistungssportlern zu reden. Aber dieses Tabu gehört zum Glück der Vergangenheit an. Wenn Sie also trotz aller körperlicher Ertüchtigung zu keiner wirklichen Problemlösung kommen, heißt das nicht, dass Sie zu wenig Sport machen, sondern dass vielleicht eher ein anderer Weg zur Lösung beiträgt.“

„Dazu gibt es ja genügend Literatur zum Thema Lebensberatung, die hilft.“

„Zur Orientierung sicherlich. Nur, das Wissen um ein Problem stellt noch lange nicht die Lösung dar. Bekanntlich gibt es ein Phänomen bei vielen Psychologiestudenten, die beim intensiven Studium seelischer Erkrankungen fälschlicherweise zu der Erkenntnis kommen: „Oh je, das habe ich ja selber!“ Ein großer Teil der populären Literatur zum Thema Lebensberatung ist eher philosophischer Natur und beschäftigt sich mit positiven Weltanschauungen und gibt entsprechende
Tipps zur Lebensführung. Aber immer allgemein gehalten und nicht auf die ganz konkrete, persönliche Situation abgestimmt. Das ginge ja auch gar nicht. Denn woher soll das Buch auch wissen, dass ausgerechnet Sie es sind, der es liest. Wirklich konkret hilft da Philosophie alleine nicht weiter.

„Zum Glück sind ja auch noch Freunde da.“

„Stimmt. Wenn Sie unter Freunde nicht eine Ansammlung von mehr oder weniger oberflächlichen Bekanntschaften oder Zweckgemeinschaften verstehen, sondern gelebte Freundschaft meinen, die von gegenseitiger Sympathie, Vertrauen, Wertschätzung und innerer Verbundenheit geprägt ist. Dann stellt eine solche Beziehung in der Tat ein ganz wichtiges Fundament im Leben dar. Aber nicht jedem ist eine solche Freundschaft gegeben. Und selbst wenn, wäre es doch vermessen von einer befreundeten Person zu erwarten, dass er oder sie sich in den Methoden zur Bewältigung seelischer Probleme so gut auskennt, dass einer Lösung nichts im Wege steht. Freundschaften sind ein unschätzbares Gut. Aber man sollte Freundschaften nicht unnötig mit Erwartungen strapazieren, die sie nicht erfüllen können.

„Was also, wenn ich schnelle Hilfe brauche?“

„Wir sind es heutzutage gewohnt, in den Supermarkt zu gehen und das, was wir brauchen, einfach aus dem Regal zu ziehen. Allenfalls spielt da der Preis noch eine Rolle. Wenn Sie Zahnschmerzen haben ist klar, dass Sie zum Zahnarzt gehen und ihre Schmerzen sind in der Regel spätestens nach einer Stunde weg. Im Bereich des Seelischen funktioniert das im Prinzip genauso einfach. Aber nicht ganz so schnell. Denn hier handelt es sich immer um eine ganz individuelle, ganz auf die Person hin ausgerichtete Prozessarbeit im Zusammenspiel mit der begleitenden Hilfe des Therapeuten. So etwas braucht natürlich etwas mehr an Zeit. Aber sobald Sie sich für diesen Weg entscheiden, werden Sie feststellen, dass bereits die neu gewonnene Aussicht auf die Lösung des Problems Sie entlasten wird.“

„Der Gang zum Therapeuten fällt aber nicht jedem immer leicht.“

„Allerdings. Da verhält es sich ähnlich wie mit der Angst vorm Zahnarzt. Manche gehen erst dann hin, wenn der Schmerz absolut nicht mehr auszuhalten ist. Die Furcht, jemandem in einer Notsituation ausgeliefert zu sein, ist da zum Beispiel zunächst oft stärker. Obwohl eigentlich klar ist, dass ein Herausschieben weitere sehr unangenehme Folgen haben kann. Bei Schmerzen, die einen seelischen Ursprung haben, ist das oft ähnlich: Der Anspruch, es irgendwie allein schaffen zu wollen, oder die Vorstellung, sich mit seiner Lebenssituation irgendwie arrangieren zu müssen, ist stark verbreitet. Schließlich hat ja jeder im Leben ’sein Päckchen zu tragen‘. Und wer bestimmt denn, wie gut oder schlecht es mir im Leben gehen kann? Da gibt es keinen allgemeinen Normwert.
Bei tiefer liegenden oder extremeren Negativerfahrungen wie zum Beispiel Gewalt oder Missbrauch wird es noch schwieriger: Hier tritt oft ganz automatisch ein Verdrängungsprozess ein. Dann wird alles vermieden, was auch nur annähernd dazu führen könnte nochmals in eine solche Situation zu kommen. Verdrängung ist das Verbandszeug der Psyche. Auf dem ersten Blick ein recht praktischer, ganz natürlicher Effekt. Aber die Seele weiß aus sich selbst heraus nicht unbedingt, was es tatsächlich alles zu vermeiden gilt. Und da sie so in letzter Konsequenz in diesem Sinne nicht mehr zuverlässig ‚Gut von Böse‘ zu unterscheiden vermag, versperrt sie oft den Weg zu allen – also auch positven – Gefühlen wie zum Beispiel Freude und Liebe. Wichtig ist hier, behutsam und in wertschätzender Begleitung zu einem Stück mehr Offenheit zu finden. Damit wichtige Grundelemente für eine positive Lebensführung wieder Zugang finden.

„Wann ist der richtige Zeitpunkt da, sich an einen Therapeuten zu wenden?“

„Auch wenn man sich nicht eines konkret ausformulierten Problems bewusst ist, im Prinzip merkt das jeder für sich selbst. Ein verlässliches Signal dafür kann zum Beispiel in dem unguten Gefühl liegen, dass die eigene Entfaltung irgendwie blockiert erscheint. Aber auch körperliche Leiden, zu denen sich aus schulmedizinischer Sicht keine Erklärung finden lässt, können Anlass dazu sein, möglichen seelischen Ursachen einmal behutsam auf den Grund zu gehen.

„Wie sieht dann die Hilfestellung aus?“

„Zunächst ist wichtig, dass der Klient weiß, dass er sich im Kontakt mit dem Therapeuten immer in einem absolut geschützten Raum bewegt. Das heißt nicht nur, dass die Gesprächsinhalte absolut vertraulich gegenüber Dritten behandelt werden. Auch die Wertschätzung des Therapeuten gegenüber dem Klienten und seiner Situation ist von größter Bedeutung, damit sich der Klient ganz selbstverständlich offen und vertrauensvoll über das, was ihn innerlich bewegt, äußern kann.
Inhaltlich geht es für den Klienten meist zunächst um das Verständnis seiner Konflikt- oder Problemsituation. Und hier ist nicht nur das Verständnis der anderen gemeint, sondern im Besondern die eigene Einstellung zu sich selbst, unabhängig von den Urteilen anderer. Es geht also zunächst um Fragestellungen wie: ‚Was denke ich selbst über mein Problem? Was empfinde ich dabei? Welche Zusammenhänge erkenne oder vermute ich?‘ Natürlich sind solche Fragen für den Klienten zunächst überhaupt nicht leicht oder klar zu beantworten. Deshalb setzt auch schon während dieses Klärungsprozesses die schützende konstruktive Hilfe des Therapeuten ein. Denn erst aus einem aufgeräumten Problembewusstsein heraus lassen sich neue Standpunkte gewinnen und gute Chancen zur positiven Bewältigung finden und erfolgreich einüben.“

„Wenn alles so klar wird, wieso dann noch Core-Energetik?“

„In meiner Arbeit hatte ich festgestellt, dass die Problembearbeitung in gedanklicher Form, also im reinen Dialog mit dem Therapeuten, in den allermeisten Fällen bei den Klienten auf geistiger Ebene sehr erfolgreich zum klaren Verstehen der eigenen Situation führen kann. Aber oft mangelt es dann schlussendlich an der Umsetzung der positiven Lebensgestaltung im Nachhinein, so dass sich diese Arbeitsweise also in gewisser Weise als zu kopflastig herausstellt. Die Kombination mit der Core-Energetik kann dazu befähigen, sich ganzheitlich wahrzunehmen und die daraus gewonnenen, positiven Selbsteinschätzungen mit größerer Sicherheit eigenständig auf den zukünftigen Lebensweg zu übertragen.“